| Clemens Brentano (Maria)
Schwanenlied
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| Wenn die Augen brechen, |
| Wenn die Lippen nicht mehr sprechen, |
| Wenn das pochende Herz sich stillet |
| Und der warme Blutstrom nicht mehr quillet: |
5 | | O dann sinkt der Traum zum Spiegel nieder, |
| Und ich hör' der Engel Lieder wieder, |
| Die das Leben mir vorüber trugen, |
| Die so selig mit den Flügeln schlugen |
| Ans Geläut der keuschen Maiesglocken, |
10 | | Daß sie all die Vöglein in den Tempel locken, |
| Die so süße wildentbrannte Psalmen sangen: |
| Daß die Liebe und die Lust so brünstig rangen, |
| Bis das Leben war gefangen und empfangen; |
| Bis die Blumen blühten; |
15 | | Bis die Früchte glühten, |
| Und gereift zum Schoß der Erde fielen, |
| Rund und bunt zum Spielen; |
| Bis die goldnen Blätter an der Erde rauschten, |
| Und die Wintersterne sinnend lauschten, |
20 | | Wo der stürmende Sämann hin sie säet, |
| Daß ein neuer Frühling schön erstehet. |
| Stille wird's, es glänzt der Schnee am Hügel |
| Und ich kühl' im Silberreif den schwülen Flügel, |
| Möcht' ihn hin nach neuem Frühling zücken, |
25 | | Da erstarret mich ein kalt Entzücken – |
| Es erfriert mein Herz, ein See voll Wonne |
| Auf ihm gleitet still der Mond und sanft die Sonne |
| Unter den sinnenden, denkenden, klugen Sternen |
| Schau' ich mein Sternbild an in Himmelsfernen; |
30 | | Alle Leiden sind Freuden, alle Schmerzen scherzen |
| Und das ganze Leben singt aus meinem Herzen: |
| Süßer Tod, süßer Tod |
| Zwischen dem Morgen- und Abendrot. |
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