niedziela, 23 listopada 2014

SPIEGEL-Brief

Sehr geehrter Herr Pascal Alter !

Seit Jahren diskutieren wir in Deutschland über die Zuwanderung der Armen aus Süd- und Osteuropa. Konservative und rechte Parteien gehen auf Stimmenfang mit der Behauptung, Migranten bettelten nur und beuteten den deutschen Sozialstaat aus. Die Geschichte Ausbeutung ist Alltag zeigt jedoch, dass es oft umgekehrt ist: Es sind die Billiglöhner EU-Bürger aus Rumänien, Bulgarien und Polen, die bei uns ankommen, weil sie vom Aufstieg träumen , die ausgebeutet werden. Hier bei uns, mitten in Deutschland, leben Menschen in Kellerverschlägen und arbeiten für weniger als fünf Euro die Stunde. Seit 2008 hat sich in Deutschland die Zahl der Beschäftigten im untersten Lohnsegment drastisch erhöht. Eine Entwicklung, die offenbar politisch gewollt war: Hungerlöhne sind eine Stütze der deutschen Wirtschaft.

Mein Kollege Christoph Reuter ist nach Aleppo gereist und war auf einem der letzten Spielplätze der Stadt, direkt hinter der Front. Mit den Worten Ich gehe Mama gießen beginnt seine Geschichte, die vom Alltag der Kinder erzählt; oder von dem, was davon übrig geblieben ist. Die jüngeren kochen mit Sand, die älteren spielen Krieg Assad-Soldaten gegen Rebellen. Und ein 13-Jähriger gießt das Grab seiner Mutter, das ebenfalls auf dem Spielplatz liegt. Eine Reportage, die daran erinnert, dass mitten in den syrischen Kriegswirren viele Kinder leben, die rutschen, wippen und schaukeln. Und sterben.

Meine Mutter war noch ein kleines Mädchen, als Muhammad Ali 1964 um die Weltmeisterschaft boxte und gewann. Sie erzählt bis heute davon, bei uns zu Hause gab es immer eine Faszination für Boxkämpfe. Immer toll. Immer geht es um Aufstieg, um Anerkennung, um Befreiung. Wie skrupellos das Box-Business sein kann, beschreibt mein Kollege Maik Großekathöfer in seiner Geschichte Durch die Wand über den deutschen Boxer Alexander Mengis, der bei einem Kampf 2013 k.o. geschlagen wurde und seitdem ein Pflegefall ist. Großekathöfer redete mit Mengis Gegnern, mit Zuschauern, Ringärzten, seinem Trainer. Auf seiner Spurensuche trifft er weder Sieger noch Helden. Es ist eine Reise in die Abgründe des Boxens.

Eine erkenntnisreiche SPIEGEL-Lektüre wünscht Ihnen

Özlem Gezer
SPIEGEL-Redakteurin


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