sobota, 23 lipca 2016

SPIEGEL-Brief


Liebe Leserin, lieber Leser!
Statistik ist ungefähr so spannend wie Kies harken - dachte ich, bis ich den Text meines Kollegen Philipp Oehmke gelesen hatte, der die Kunst der Wahlprognose in den USA und ihre Abgründe beschreibt. Im Mittelpunkt stehen zwei Männer: Nate Silver, im Moment so etwas wie "ein gefallener Held der Datenwelt", der "am liebsten seinen Algorithmus tätscheln würde". Und John Phillips, der mit zweitem Vornamen Aristotle heißt, wie der griechische Philosoph und Logiker, und der eine gigantische Datensammlung über US-Wähler besitzt und damit reich geworden ist. Es geht um die schier unendlichen Möglichkeiten, persönliche Daten von Bürgern zu erfassen, auszuwerten und für den Wahlkampf zu nutzen. Ein ebenso faszinierender wie gruseliger Lesestoff: Information, Überwachung und Manipulation liegen nah beieinander. Sehr nah.
Wie fühlt sich ein Marder, wenn er einen vermeintlichen Rivalen riecht? (Wütend!) Oder ein Pferd, das in Gegenwart eines Artgenossen gerügt wird? (Beschämt!) Warum interessieren sich Zehntausende für diese Probleme? Darf man Fleisch essen? Und was steckt hinter den "Human Animal Studies", die sich gerade als Teildisziplin der Kulturwissenschaften an deutschen Universitäten etablieren? Mein Kollege Tobias Becker war vergangene Woche in der Eifel, um solche Fragen zu klären: Er traf den Bestsellerautor Peter Wohlleben ("Das geheime Leben der Bäume"; "Das Seelenleben der Tiere"). Der zum Erfolgsschreiber mutierte Förster lebt in einer Art Zoo, seine Tiere tragen Namen (Crusty, Bridgi, Fridolin), und die Beschreibung ihres Verhaltens macht den 52-Jährigen zu einem gut verdienenden Mann. Und was kommt bei Försters auf den Abendbrottisch? Gern mal Kaninchen. Eine heitere und zugleich lehrreiche Lektüre, die ich sehr empfehle.
Meine Kollegen Ulrike Knöfel, Kunstexpertin, und Dietmar Hipp, Jurist, haben den ehemaligen Betreuer von Cornelius Gurlitt getroffen. Der Rechtsanwalt Christoph Edel ist der Mensch, der dem Kunstsammler in dessen letzten Lebensmonaten wohl am nächsten gekommen ist. Die Entdeckung seiner geheimen Kunstsammlung - inklusive einst von Nazis geraubter Werke - machte 2013 Schlagzeilen, im SPIEGEL und anderswo. Gurlitt starb im Jahr darauf. In seinem Testament vermachte der scheue Mann alle Schätze dem Kunstmuseum Bern. Rechtsanwalt Edel berichtet mit überraschender Offenheit über Gurlitts Verfassung, seine Verwirrtheit, Überforderung - und seine Einsamkeit. Ein lesenswertes, tiefgründiges und bewegendes Gespräch, das über rein rechtliche Fragen weit hinausgeht.
Zu diesem Thema gibt es nur zwei Standpunkte: dafür oder dagegen. Mein Kollege Matthias Schulz aus dem Wissenschaftsressort berichtet über Hoverboards, Raketenrollschuhe und andere hundsgefährliche Seltsamkeiten im Straßenverkehr. Ich bin dagegen, rege mich gern über diese uneleganten Vehikel auf und bin von Schulzens Text mit dem Titel "Gehen war gestern" aufs Schönste bestätigt worden. Wer eine detailliert recherchierte und amüsant geschriebene Geschichte zum Alltagsleben sucht, wird hier fündig.
Eine fesselnde SPIEGEL-Lektüre wünscht Ihnen
Ihre Katharina Stegelmann
SPIEGEL-Redakteurin

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