wtorek, 15 września 2015

SPIEGEL-Brief

Sehr geehrter Herr Pascal Alter!

Für alle Flüchtlinge, die erschöpft und glücklich Deutschland erreichen, beginnt mit ihrer Ankunft eine weitere Etappe: Sie müssen sich in diesem Land zurechtfinden. Wie kann das gelingen? Ein Team vonSPIEGEL-Reportern war in Baden-Württemberg und Berlin unterwegs, im Ruhrgebiet und in Bayern. Sie haben sich angeschaut, was es bedeutet, in Deutschland aus dem Zug zu steigen, an derErstaufnahmestelle, beispielsweise im Landesamt für Gesundheit und Soziales in Berlin, in der Schlange zu stehen oder als syrisches Kind in einer schwäbischen Schule zu sitzen.

Ich lese im SPIEGEL vor allem jene Geschichten mit großem Interesse, für die meine Kollegen an Orte und Schauplätze reisen, deren Namen durch die häufige Nennung in den Nachrichten längst stumpf klingen. Deshalb bin ich ein Fan von Christoph Reuter, dessen Artikel aus dem Nahen Osten sich durch eigenes Erleben und kluge Analyse auszeichnen. Im neuen Heft untersucht er, welche Möglichkeiten bleiben, das Grauen in Syrien zu stoppen.

Im Sommerurlaub habe ich angefangen, den gewaltigen Romanzyklus des norwegischen Schriftstellers Karl Ove Knausgård zu lesen. Deshalb freue ich mich besonders, dass Volker Weidermann Knausgård in dessen Haus nahe der südschwedischen Stadt Ystad besucht hat. Weidermann erzählt von einem großartigen Autor, der sein Leben in Romanen nacherzählt und darin Familiengeheimnisse preisgibt. Weidermann beschreibt die Begegnung mit einem Mann, der "brutal kritisch mit sich selbst ist, so empfindlich und empfindsam, so ein feines Gehör hat, feines Gespür für Kritik, für Widerspruch. Weil es bei ihm immer ums Ganze geht".

In Mailand trafen Martin Doerry und Matthias Schepp den gefeierten russischen Dirigenten Walerij Gergijew. Er wird in der nächsten Woche sein erstes Konzert als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker geben. Es gibt nicht wenige Gegner dieses Engagements, denn Gergijew gilt als Unterstützer Putins. Ich habe die Diskussionen darüber verfolgt, was wichtiger sei: die politische Einstellung oder die künstlerische Qualität. Ein unbedingt lesenswertes Gespräch also zu der Frage, ob Musik losgelöst von der Zeitgeschichte betrachtet werden kann.

Viel Vergnügen bei der SPIEGEL-Lektüre wünscht Ihnen

Ihre Claudia Voigt 
SPIEGEL-Redakteurin

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