niedziela, 28 lipca 2013

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Date: 2013/7/28
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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Susanne Wiedamann zu
Bayreuth/Wagner

   Regensburg (ots) - Buhrufe für Frank Castorfs "Rheingold"? Das ist
keine Überraschung. Und auch kein Drama. Denn Buhrufe gehören bei den
Bayreuther Festspielen zum Ritual. Selbst wenig gefällige
Inszenierungen führten Bayreuth bisher nie in die Krise. Die
Festspiele sind jedes Jahr ausverkauft. Dennoch ist viel von Krise
die Rede. Bayreuth produziert Schlagzeilen. Ob Nike Wagner, Katharina
Wagner und Eva Wagner-Pasquier um die Intendanz streiten oder es
andere Meinungsverschiedenheiten im Wagner-Clan gibt, gleich wird das
große Ganze in Frage gestellt. Ob die Verpflichtung von Christoph
Schlingensief 2004 oder nun des Skandalkünstlers Jonathan Meese, der
wegen des Hitlergrußes vor Gericht steht, für den Parsifal 2016... -
bei allem wird eine "Götterdämmerung" gewittert, an deren Ende der
Untergang des "Grünen Hügels" samt Mann, Maus, Alberich und Walküre
stehen könnte. "Risiko!", rufen einige schon fast genüsslich die
Krise aus, denen dieses Festspiel zu museal, zu sehr Elite-Zirkus, zu
wenig selbstkritisch ist, und auch zu wenig bereit zu einer
konsequenten Aufarbeitung der NS-Verstrickungen der Festspiele und
der Wagner-Familie. Da schütten Vorkommnisse wie die Enthüllung des
Hakenkreuzes auf der Brust von Bass-Bariton Evgeny Nikitin 2012 oder
die Meese-Verpflichtung Öl ins Feuer. Doch erschüttern all diese
Vorwürfe den Grünen Hügel wirklich? Die jetzige Festspielleitung hat
zum Beispiel durch die Überlassung des Nachlasses von Wolfgang Wagner
an Journalisten und einen Historiker etwas dafür getan, dass eine
wissenschaftliche Aufarbeitung der NS-Vergangenheit der Festspiele
möglich wird. Katharina Wagner hat nachdrücklich den Antisemitismus
ihres Urgroßvaters gebrandmarkt. Dass sie dennoch ausgerechnet
Jonathan Meese die nötige Sensibilität zutraut, an historisch
belasteter Stelle Wagner zu inszenieren, mag sich als eklatanter
Fehler erweisen. Dass diese Entscheidung für sie selbst "folgenreich"
sein wird, ist unwahrscheinlich. Und das nicht nur, weil Meeses
Inszenierung - falls er nicht verurteilt wird - erst 2016 zu sehen
sein wird, die Festspielleitung der beiden Wagner-Frauen aber schon
2015 zur Vertragsverlängerung ansteht. Katharina Wagner und ihre
Halbschwester Eva Wagner-Pasquier erweisen sich als fähiges
Intendantenpaar. Dass Bayreuth im 21. Jahrhundert nicht den Oberen
Zehntausend und bestimmten Unterstützerkreisen vorbehalten bleiben
kann, haben sie begriffen. Mit Public Viewing und nach Rückzug des
Sponsors mit Live-Kino-Übertragungen haben sie versucht, breiteren
Schichten eine Teilhabe zu ermöglichen. Und auch die Bevorzugung
privilegierter Gruppen ist - auf Druck - einer gerechteren und
transparenten Kartenvergabe gewichen. Der künstlerische Balanceakt
zwischen Bewahrung und Erneuerung gelingt mal besser, mal schlechter,
doch eindeutig spürbar ist der Wunsch, sich nicht durch Werktreue
fesseln zu lassen, sondern nach neuen künstlerischen Lesarten der
Opern zu suchen. Hier werden Wagnisse unternommen. Wenn den
Festspielen überhaupt Gefahr droht, dann durch die sich verändernden,
schnelleren und hungrigeren Rezeptionsgewohnheiten im
Internetzeitalter, und damit verbunden einer kürzeren Nachhaltigkeit.
Mehr als bisher werden die Festspiele die Relevanz von Wagners Werk
vermitteln müssen. Eine Ring-Neuinszenierung alle fünf, sechs oder
sieben Jahre? Das könnte sich in einer verstärkt digital dominierten
Zukunft als ungenügender Takt erweisen. Und auch Wagners Diktum, dass
nur seine zehn Hauptopern im Festspielhaus gezeigt werden dürfen,
wirkt unzeitgemäß, schließt spannende Begegnung von Wagner mit
Zeitgenössischem aus. Hier werden die Festspiele wagemutiger als
bisher neue Wege beschreiten müssen.

Originaltext:         Mittelbayerische Zeitung
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